In einem kreativen Austausch zwischen den Verantwortlichen der Animationsstudios Pixar (USA) und Ghibli (Japan) nahm der oscarprämierte Regisseur Hayao Miyazaki vor wenigen Tagen eine ziemlich kompromisslose Haltung ein. Wir fassen nachfolgend zusammen.
Miyazaki denkt nicht ans Publikum
An dem Gespräch zwischen den beiden renommierten Studios, welches im Rahmen der Radiosendung »Ghibli Sweaty« auf Tokyo FM abgehalten wurde, nahmen seitens Pixar stellvertretend Pete Docter (CCO), Kelsey Mann (Regisseur) sowie Mark Nielsen (Produzent) teil, während für Studio Ghibli die beiden Mitbegründer Hayao Miyazaki und Toshio Suzuki anwesend waren.
Im Laufe des Dialogs offenbarten sich dabei tiefe philosophische Unterschiede zwischen den Ansätzen der jeweiligen Studios. Als Docter nämlich von Miyazaki wissen wollte, ob Studio Ghibli ebenfalls wie Pixar öffentliche Testvorführungen vor Abschluss der Produktion durchführen würde, um die Meinungen verschiedener Personen einzuholen, entgegnete Letzterer ziemlich unverblümt:
»Nein. Es ist unmöglich, dass alle Zuschauer einen Film richtig verstehen. Wir sind diejenigen mit der Verantwortung, also können wir sie nicht einfach irgendjemandem überlassen, der zufällig gerade vorbeiläuft.« Auch auf die Frage, ob Miyazaki seine Filme für das Publikum überarbeiten würde, hatte der Ghibli-Regisseur eine klare Antwort: »Ich denke nie an die Zuschauer.«
Unterschiedliche Ansätze
Dieser Gedankenaustausch bietet zweifelsfrei einen einzigartigen Einblick in die Denkweise zweier Animationsgiganten, von denen jeder eine eigene Herangehensweise entwickelt hat.
Auf der einen Seite steht Studio Ghibli mit Hayao Miyazaki, der für sein Beharren auf künstlerischer Integrität und Authentizität bekannt ist und eine Vision vertritt, bei welcher ein Schöpfer die volle Verantwortung übernimmt, während Pixar vor allem auf die Meinungen der Zuschauer setzt.
Denn dort sei die Filmproduktion ein offenerer und inklusiverer Prozess, bei dem Publikumstests eine entscheidende Rolle spielen würden. Durch sie lasse sich herausfinden, ob bestimmte emotionale Szenen auch wirklich wie gewünscht ankommen. Wenn nicht, dann läge es laut Docter in Pixars Verantwortung, den Film so anzupassen, dass er bei möglichst vielen Menschen Anklang findet.
Welcher Ansatz nun richtig ist, lässt sich wohl pauschal nicht beantworten und hängt letztendlich vom Ziel der Filmemacher ab. Will man einen Film erschaffen, der die eigene Vision kompromisslos widerspiegelt? Oder möchte man unbedingt ein möglichst großes Publikum ansprechen?
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Via Comic Natalie
© Studio Ghibli
Genau die richtige Einstellung die Regisseure und Autoren haben sollten.
Der Erfolg gibt Miyazaki wohl recht in seinem Standpunkt und seiner Herangehensweise. ABER: Ich glaube nicht, dass das bei jedem respektiver jeder so funktionieren würde weil da ja die Ausgangs-Vision entscheidend ist und die Umsetzung dieser. Bei Miyazaki stimmt halt die Vision und die Umsetzung.
Man sollte auch nie auf die zuschauer hören sondern lieber die Vision produzieren die man haben will und stolz drauf sein kann wen man auf die zuschauer hört endet man am ende wie disney und das will man auf jeden fall nicht
Na auf die Zuschauer hört bei Disney keiner. Keinen den ich kenne der z.B. Star Wars Fan ist, hat jemals mehr Skywalker Material gewollt ^^
Disney recycelt doch ständig Geschichten, Charaktere und mittlerweile auch Schauspieler innerhalb eines Filmuniversums. Die Fans beißen da auch direkt an, sieht man wie sie den ganzen Marvel-Plan umgekrempelt haben. Die Zuschauer haben also offensichtlich selbst keine Ansprüche und Disney hat damit leider mehr Erfolg als mit neuen Geschichten. Disney hört also sogar zu viel auf die Zuschauer.
Disney hört seit Jahren nicht auf die Zuschauer die hören einfach auf eine laute Minderheit und deswegen floppen die meisten Disney und Marvel Filme. 😂
Bevor jetzt das übliche Disney-Bashing losgeht: Es gibt einen großen Unterschied zwischen Testvorführungen mit kleinem, zufällig ausgewähltem Publikum, wie Pixar es macht, und „wir richten uns nach dem Twitter-Mob“, wie solche Aussagen nur zu gern interpretiert werden, wenn sie von den „Falschen“ kommen. Und wie Docter es auch beschreibt, geht es dabei nicht darum, dem (imaginären) Publikum von vorn bis hinten nach dem Maul zu schreiben, sondern vor allem um filmhandwerkliche Sachen. Je nach Bildgestaltung, Schnitt und natürlich Musik kann eine Szene eine komplett andere emotionale Wirkung aufs Publikum haben als man beabsichtigt hat, das sind häufig Kleinigkeiten. Gelegentlich ist auch der Inhalt betroffen, da geht es dann häufig um Charaktere, denen noch ein gewisser Twist oder eine zusätzliche Ebene fehlt (oder es ist auch mal was zu viel des Guten).
Pixar will Filme produzieren, die nicht alle, aber viele ansprechen und dabei immer auf einer universellen Ebene funktionieren. Miyazaki hingegen weiß von vornherein, dass man es nie allen recht machen kann, und versucht es daher gar nicht erst, sondern steht für kompromisslose Authentizität, zumal er die emotionale Wirkung generell nicht so gezielt herbeiführt und es häufig den Zuschauern überlässt, wie sie Dinge in seinen Filmen interpretieren. Das lässt ihn und seine Werke sympathisch und erfrischend wirken, besonders in einer Zeit, in der die meisten großen Studios fast nur noch auf Nummer sicher gehen und uns mit massenmarkttauglichem Content zuballern. Auch Pixars Authentizät, die bei ihren früheren Werken (trotz Test-Screenings schon damals!) unbestreitbar war, hat seit der Übernahme durch Disney gelitten, wenn auch weniger als beim Rest des Mäusekonzerns.
Das ist aber kein reines Disney-, Hollywood- oder westliches Problem. Auch im Anime-Umfeld ist Miyazaki damit die große Ausnahme – selbst im Kino heimische Autorenfilmer wie Makoto Shinkai stellen ihre eigene Vision schon mal hinten an, wenn die Produzenten der Meinung sind, dass gewisse Figuren- und Beziehungskonstellationen dem heimischen Publikum „nicht zuzumuten“ seien; von den üblichen 08/15-Komitee-Produktionen ganz zu schweigen. Dass sich darüber von denselben Leuten weit weniger beschwert wird, lässt den Schluss zu, dass für sie nicht die Verfälschung der künstlerischen Vision an sich das Problem ist, sondern *wer* hier *wie* verfälscht.
Es braucht mehr Filmemacher wie Miyazaki, die lieber einen Flop riskieren als eine Verfälschung ihrer Vision zuzulassen und idealerweise noch genauso fähig sind, aber die braucht es überall, ob USA, Deutschland oder Japan.
Meiner Meinung nach macht es Hayao Miyazaki richtig, und es kommt beim Publikum sehr gut an, er hat das Feingefühl hoch qualitativ zu arbeiten und zu produzieren nach seiner Vorstellung. Wenn man auf andere hört und es jedem recht machen möchte, dann kommt sowas raus wie Sailor Moon Crystal Die Figure haben sich von der 1. Staffel bis zum letzten Film immer mal wieder geändert, die Figuren sollten erstmal Original nach dem Manga aussehen und später wurden sie auf die 90er Serie verändert und bei den letzten beiden Filmen wirkt es wie ein zwischending. Deswegen wirkt es nicht mehr so harmonisch wie bei Ghibli
Zusammengefasst haben wir drei Herangehensweisen:
Miyazaki: einfach einen Film ohne Rücksicht auf die Zuschauer produzieren.
Pixar/Hollywood: Filme produzieren und mit Spielraum für kreative Risiken, die man dann einfach durch Testvorführungen bestätigt bekommt oder doch überarbeiten muss.
Anime/Japan: Einfach alles von Anfang an strickt nach den Zuschauern ausrichten und kreative Risiken direkt im Keim ersticken.
Ich konnte mit seinen letzten Filmen zwar nichts anfangen, aber wenn man nur auf die Zuschauer hört, dann kommt ein Regisseur wie Makoto Shinkai dabei raus, der in seinen Filmen zuletzt immer auf die gleichen Erfolgsgaranten setzte, zB die obligatorischen Romanzen mit Schülern.
Es gibt halt Pixar die Filme produzieren die mehrere Filme machten mit mehr als 1 Milliarde Umsatz in $ und die es nur in Yen schafften. Pixar denkt an globalen Erfolg. Und Chibli regionaler. Aber beides ist gut so und existieren sehr gut parallel zueinander.
Da Konzept von Miyazaki/Ghibli hat zuletzt global besser funktioniert als regional, der letzte Film war in Japan nicht unbedingt erfolgreich, dafür lief er weltweit besser.
In wiefern war er denn unerfolgreich in Japan? Es gab zum ersten Mal die Idee ohne Werbung oder Trailer den Film raus zu bringen. Dafür das man selbst auf sowas verzichtete lief es eigentlich ganz gut.
1. Es ist der teuerste Ghibli jemals, anhand des zweitteuersten (Prinzessin Kaguya) reden wir also von über 50 Mio. $ Produktionskosten.
2. In Japan hat der Film nur etwas über 60 Mio. eingenommen.
3. Die Kinos behalten aber ungefähr die Hälfte des Geldes, also reden wir nur noch über 30 Mio.
Ergebnis: Alleine in Japan wäre der Film ein finanzieller Flop geworden und die Idee auf Werbung zu verzichten kann man nicht gerade als erfolgreich bezeichnen. In anderen Ländern entwickelte sich der Film hingegen zum erfolgreichsten Ghibli aller Zeiten und hat so das Ergebnis noch gerettet, der Film ist sogar auf Platz 5 der erfolgreichsten Anime aufgestiegen. Alleine in Amerika hat der Film fast so viel eingenommen wie im Heimatland Japan.
Man kann nachträglich sogar darüber spekulieren, ob das schlechte Ergebnis in Japan überhaupt erst der Grund bzw. finale Anstoß für den Verkauf an Nippon TV war und das weltweite Ergebnis dies womöglich noch verhindert hätte.
Aus meiner Sicht sind beide Ansätze weder falsch noch richtig. Es kommt darauf an, was man erreichen möchte.
Miyazaki sieht sich als Künstler und seine Werke als Kunstwerke. Wenn man sieht, was er produziert, kann man diesem auch zustimmen. Dass hier die Vision des Künstlers im Vordergrund gestellt ist, stimmt dies natürlich. Und dass dies auch möglich ist, finde ich sehr erfreulich (im Mittelalter wurde so manches Werk nach der Vorstellung des Auftraggebers erstellt und nicht nach der Vision des Künstlers).
Pixar hingegen möchte den Zuschauer, insbesondere den jüngeren, etwas bieten und sie mitreissen. Da macht es schon Sinn, dass man ein Publikum den Film vorher sehen lässt und diese dann befragt. Hier geht es dann weniger um Kunst als um Unterhaltung. Aber Unterhaltung ist ja auch nichts Schlechtes.
Pixar lokalisiert deshalb auch; wie z.B. beim ersten »Inside Out« Movie (aka »Alles steht Kopf«). So mag im Original (und in Europa) Riley keinen Brokkoli. In Nordamerika und Europa ist es nicht unüblich, dass Kinder keinen Brokkoli mögen. Aber in Asien ist Brokkoli bei Kindern nicht so unbeliebt wie bei uns, weshalb (CGI macht es möglich) Riley dort ein anderes Gemüse nicht mag (welches dort viele Kinder nicht so mögen). Damit möchte man, dass die (jungen) Zuschauer sich besser mit Riley identifizieren können. Finde ich z.B. OK, da es auch die primäre Zielgruppe ist.
Auf der anderen Seite gibt es eine Szene, wo man aus meiner Sicht zu stark lokalisiert hat. Die ganze Familie ist nämlich Eishockey-begeistert (kommen aus Minnesota aka »State of Hockey«). Im Original gibt es eine Szene beim Abendessen, bei dem der Vater sich an ein (offenbar sehr gutes) Eishockeyspiel erinnert (statt zuzuhören, wie es seiner Tochter in der Schule lief). Ausserhalb Nordamerika war es ein Fussballspiel, was aus meiner Sicht wenig Sinn macht, da wie gesagt er Eishockey liebt und Fussball sonst nie ein Thema war. Da hat Pixar offenbar gedacht, man ersetzt es durch Fussball, weil das kennt im Ausland jeder. Jedoch finde ich diesen Entscheid nicht gut, da dies nicht zum Charakter des Vaters passt. Hier hat man zu sehr darauf geachtet, was der Zuschauer mag bzw. mögen könnte.
Beides hat also Vor- und Nachteile. Der künstlerische Ansatz zeigt die wahre Vision des Schöpfers, aber ist auch ein grosses finanzielles Risiko. Der Ansatz mit Zuschauerbefragungen reduziert das finanzielle Risiko, jedoch geht damit etwas die künsterlische Version verloren und es kann auch zu Unstimmigkeiten führen, wenn man zu sehr auf die Zuschauer achtet (siehe Inside Out: Vater in einer Szene plötzlich Fussballfan statt Eishockeyfan).
Finde ich gut.