Das Nachrichtenportal Yahoo! News Japan fasste in einem Artikel die bekannten finanziellen Probleme der japanischen Synchronsprecher (Seiyuus) zusammen und erklärte, wie sehr diese Berufsgruppe doch ums finanzielle Überleben kämpfen muss. Wir haben die wichtigsten Details für euch.
Synchronsprecher unterbezahlt
Nicht nur Animatoren, sondern auch die vielen anderen Tätigkeitsfelder der Anime-Industrie haben zu jeder Zeit mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Auch die Synchronsprecher sind davon nicht ausgenommen. Und das, obwohl sie doch in Japan so unglaublich populär sind und von vielen Fans, egal ob jung oder alt, wie Superstars gefeiert werden.
Nur wenige Seiyuus überleben einzig und allein mit ihrer Tätigkeit als Synchronsprecher in der harten Anime-Industrie. Viele müssen auf einen Zweitjob in einer komplett anderen Branche zurückgreifen oder sind auf Unterstützung durch Freunde und Familie angewiesen. Doch woran liegt das?
Wie wir bereits vor einiger Zeit erklärt haben, existiert ein sogenanntes »Seiyuu Ranking System«, das jährlich aktualisiert wird und sämtliche Seiyuus anhand ihrer Fähigkeiten und Erfahrung auf einen von insgesamt 15 Plätzen sowie einem »Junior Rank« für Neueinsteiger listet. Diese Liste wird von der »Japan Actors Union« geführt und fast alle Seiyuu sind Mitglied dieser unabhängigen Agentur.
Feste Formel legt Gehalt fest
Abhängig von der Platzierung auf der Liste ergibt sich das Grundgehalt pro Episode, das mit 15.000 Yen (etwa 102 Euro) auf dem »Junior Rank« startet und sich pro Rang bis maximal 45.000 Yen (etwa 306 Euro) erhöhen kann. Hat man den höchsten Rang durchbrochen, so ist man nicht mehr an diesen finanziellen Rahmen gebunden und kann fortan selbst Gehaltsverhandlungen führen.
Dieses Grundgehalt multipliziert sich dann mit einem »Ausstrahlungsfaktor« und »Format-Faktor«. Der Ausstrahlungsfaktor beträgt x1.0 für 30 Minuten, x1.5 für 60 Minuten, x1.9 für 90 Minuten und x2.3 für 120 Minuten. Der Format-Faktor beträgt x1.8 für TV-Serien und x2.5 für Film-Projekte.
Zur Verdeutlichung nehmen wir also mal an, dass ein Neueinsteiger auf dem »Junior-Rank« für eine 48-teilige Anime-Serie gecastet wird und in jeder Episode einen Auftritt hat. So ergibt sich daraus ein Gehalt von 15.000 Yen x 1.0 x 1.8, was in der Summe 27.000 Yen (183 Euro) pro Episode entspricht.
Angebot übersteigt Nachfrage
Nach Abzügen von Vermittlungsgebühren und der Steuer bleiben dann zumeist nicht einmal 20.000 Yen übrig. Für ein Anime-Projekt, das sich also fast über ein ganzes Jahr erstreckt, ergibt sich folglich ein Jahresgehalt von nicht einmal einer Million Yen (etwa 6800 Euro). Das tatsächliche Jahresgehalt für 20-29-jährige Seiyuus liegt laut einer Studie im Schnitt bei 1,44 Millionen Yen (9800 Euro).
Und da das Gehalt vor der Ausstrahlung vertraglich festgesetzt wurde, spielt es auch keine Rolle, wie überragend die eigene Leistung oder gar das Abschneiden des Anime selbst war. Die einzige Hoffnung ist ein Aufstieg im »Seiyuu Ranking System« im kommenden Jahr, was jedoch ein langwieriger und mühsamer Prozess ist, der kurzfristig keine finanzielle Erleichterung bringt.
Die wöchentliche Arbeitszeit von etwa vier Stunden für die Aufnahme einer Episode mag das Gehalt vielleicht noch rechtfertigen und macht es auch möglich, mehr als einen Sprecherjob anzunehmen. Allerdings nur in der Theorie, denn gerade in den Anfangsjahren kann man froh sein, überhaupt einen Job zu ergattern. Von mehr als einer Rolle pro Season kann man da nur träumen.
Denn es gibt viel zu viele Seiyuus, da ihr Job wie eingangs erwähnt von der Gesellschaft angehimmelt wird und viele ihnen nacheifern. Doch Anime-Projekte casten meist bereits etablierte und berühmte Synchronsprecher, auch um für den Anime zu werben. Neue Talente bekommen nur selten eine Chance, was die Kluft zwischen den Veteranen und den Rookies immer größer werden lässt.
- Japan: Anzahl weiblicher Synchronsprecherinnen steigt
- Seit COVID-19 kaum Chancen für neue Synchronsprecher
- Anime-Synchronsprecher warnt Neulinge vor der Branche
Via Yahoo! News Japan
©劇場版「SHIROBAKO」製作委員会
16 Kommentare und Antworten zu "Japan: Synchronsprecher oft in finanziellen Schwierigkeiten"
Was soll man dazu noch sagen, was nicht schon gesagt wurde … Veränderungen sind notwendig. Und zwar in der gesamten Industrie. Dieses Problem hier ist ja nur ein Teil eines größeren. Letztlich muss mehr Geld von oben nach unten fließen; sei es nun zu den Angestellten in den Studios selbst oder eben zu den hier erwähnen Sprechern. Dass sowas nicht von heut auf morgen klappt, ist zwar klar. Aber das Problem besteht ja auch nicht erst seit gestern.
Man könnte doch für den Anfang bspw. mal eine Bonusprämie einführen. Wenn also der Anime durch die Decke geht und hohe Einnahmen generiert, bekommen die Leute einen Bonus bezahlt. Das ist sicherlich keine endgültige Lösung, wäre aber zumindest schonmal ein kleiner Anfang.
Das wäre durchaus ein Anfang aber ich zweifle daran, dass sich so schnell etwas ändern wird.
Da bin ich mir nicht sicher, ob die Bonusprämie wirklich etwas hilft.
Denn der Erfolg eines Anime ist ja nicht zwingend mit der Leistung der Sprecher gebunden.
Wie im Artikel erwähnt, sind junge Sprecher in der unteren Gehaltsrangliste schon froh, überhaupt einen Auftrag zu bekommen. Mit dieser Prämie würden wohl wieder besser-verdienende Sprecher jene Aufträge annehmen, die auch Potential für höhere Prämien haben (z.B. weil der Manga dieses Anime erfolgreich ist). Für Neueinsteiger etc. bleiben dann nur noch Aufträge, dessen Anime wohl eher Nische bleiben wird und keine nennenswerte Prämie liefern wird.
Ich denke, hier sollte man andere Lösungen finden.
Das eine wäre zum Beispiel, dass die Studios nicht aus Kostengründen für kleine Rollen Neueinsteiger nimmt. Wie im Artikel erklärt, gibt es bereits jetzt zu viele Sprecher (und viele auch im unteren Lohnniveau) und wenn man dann neue Sprecher nimmt und damit die bestehenden im unteren Lohnniveau ignoriert, erhöht sich das Problem nur.
Ich verstehe, dass viele Japanerinnen und Japaner gerne Sprecher werden möchten. Jedoch kann nicht jeder dies wirklich werden. Genauso sicherlich viele Jugendliche gerne Fussballprofi werden möchten; aber dort wird es nur ein Bruchteil.
Ein weitere Möglichkeit wäre, dass der (derzeit faktische) Mindestlohn erhöht wird (bzw. die Grundgehälter der tiefen Kategorien angehoben werden). Dies würde auch zu einer Angleichung der Gehälter führen. Denn die Mehrkosten bei den Sprechern der unteren Gehaltsklasse müssten ja irgendwie kompensiert werden. Wahrscheinlich kriegen dann die Spitzenverdiener unter den Sprechern dann weniger. Kann zwar sein, dass anfangs diese berühmten Sprecher Aufträge ablehnen (da unter ihren derzeitigen Lohnvorstellungen), da jedoch dies dann branchenweit so bezahlt wird, werden diese dann den tieferen Lohn wohl bald akzeptieren.
Nicht zwingend, das stimmt. Aber die Sprecher haben ja die (Kern-)Aufgabe den Charakteren durch ihre Performance sozusagen Leben einzuhauchen. Und das trägt schon zum Erfolg eines Titeln bei finde ich.
Die Veränderung kommt doch. Bald muss ein Synchronsprecher unterschreiben, dass »seine Stimme danach dem Verlag/Studio etc« gehört.. Dann macht die KI das und man braucht die Sprecher nur noch für 3-4 Serien den Rest macht eben die KI und andere Sprachen gehen auch noch.
Problem gelöst die Leute kriegen gar keine Gehalt mehr und die Abos für die Streamingdienste zahlt dann… Naja die KI wirds nicht sein.. Vielleicht aboniert dann der Milliardärsverlagschef einfach 10Mio mal und zahlt sich selbst dann von seinen Abos seine Dividenede oder so……
Sorry für den Zynismus aber mir fällt einfach nix mehr ein.. Und auch wenn ich von vielen das Gleiche höre: Ja es muss sich was ändern es wird sich was ändern…
Das einzig »große« was ich in letzter Zeit erlebt habe war, dass gewisse Kreise sich ein Loch in die Birne gefreut haben, dass man die »Rentenreform« in Frankreich durchgedrückt hat (und da gings ja um weit mehr als 62 oder 64 das ganze System wurde umgestellt und durch neue »Durchrechnungen« wird kaum wer mit 65 die Rentenhöhe erreichen die früher mit 62 »problemlos« zu erreichen war)..
Also das »einzig große« in die Richtung (neben tausendfachen Entlassungen auch im »ach so Wachstumssicheren Tech Sektor« (Inflation Reallohnverlust und KI die dann die Jobs in 1-3 Jahren machen kann schicken Grüße))…
Also das einzige, was ich höre ist leider negativ.
Da ich eine Menge über die schlechte Bezahlung bei einer Anime Produktion lese, könnten die Mitglieder austreten und eine neue Gewerkschaft gründen die bessere Bezahlung aushandelt?
Vielleicht zu einfach gedacht, aber was will die alte Gewerkschaft bzw. der Rest machen?
Wie es oben erwähnt wird übersteigt das Angebot bei weitem die Nachfrage. Selbst wenn viele aussteigen und ne eigene Gewerkschaft gründen, würden die alten immer noch Nachschub bekommen. Und da diese sicherlich weniger verlangen würden, würde die neue Gewerkschaft schnell wieder verschwinden, weil sie keiner bucht. Wenn müsste es alles auf einen Schlag umstrukturiert werden damit wirklich alle etwas davon haben.
Nur einmal am Rande aus welchen Animes stammen die Bilder.
Die Bilder oben und unten gehören zu Shirobako aber die anderen beiden Bilder aus welchem sind die falls das jemand weiß.
Sore ga Seiyuu myanimelist.net
Die größte Abstrusität an dem System ist nach wie vor, dass nicht nach tatsächlichem Arbeitspensum, sondern pauschal pro Episode abgerechnet wird, und ein Veteran mit Top-Rang für zwei Sätze in einer Gastrolle dadurch mehr bekommt als ein Anfänger für vier Stunden Aufnahmesession in der Hauptrolle.
Ja, Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis, aber das bedeutet nicht, dass man unverschämt werden und die Arbeitskräfte nach Strich und Faden ausbeuten (sowie die Kundschaft abzocken) muss. Denn die größten Ausbeuter und Abzocker sind üblicherweise diejenigen, die am schnellsten und lautesten nach staatlichen Eingriffen rufen, sobald der Wind sich dreht und sie feststellen müssen, dass die Gesetze des Marktes in beide Richtungen wirken.
Habt Ihr Euch den Artikel ausgedacht? Keine der URL von Yahoo funktionieren, auch im Google Cache sind die nicht zu finden.
Nein, haben wir nicht. Du kannst die Quelle vermutlich nicht aufrufen, weil Yahoo! News Japan alle Verbindungen aus Deutschland blockiert. Mit einem VPN kann man allerdings problemlos darauf zugreifen.
Es gibt hier zwei Schuldige:
1. Die Firmen die nicht ordentlich bezahlen
2. Die Leute die es mir sich machen lassen
Und solange Punkt 2 bestehen bleibt wird sich an Punkt 1 auch rein gar nichts ändern…
Ja, einerseits kann man aufgrund der Popularität vieler Synchronsprecher gut verstehen, wieso der Beruf so populär ist und Neulinge von diesem Glanz angelockt werden.
Gleichzeitig habe ich wirklich nur negatives darüber gehört, bis zu dem Punkt, dass sich manche wohl sogar schlecht dafür fühlen jüngere die zu ihnen aufsehen eben dadurch dazu verleiten und sich verantwortlich fühlen, dass diese in dieser Lage landen :/
Klingt eher danach, dass der Beruf gemessen an der Arbeitszeit ziemlich gut bezahlt wird.
In der Beispielrechnung wird sogar pessimistisch mit dem Junior Rank gearbeitet.
6800 € im Jahr für durchschnittlich 4 Stunden Arbeit in der Woche würde heißen, dass die bei einer 40-Stunden-Woche 68.000 € im Jahr verdienen würden.
Wie gesagt, Junior Rank.
Klar, die Seiyuus bekommen so viele Rollen nicht, aber das liegt ja nur an dem großen Angebot und hat nichts mit der Vergütung pro Arbeitszeit zu tun.
Klingt für mich also eher so, dass der Job halt einfach kein Vollzeitjob, sondern ein Gelegenheitsjob ist.
Da dachte man eigentlich die Sprecher wären die Hauptverdiener und vor allem die Animatoren werden geknechtet. Letztlich verdienen wohl nur die Chefs, Regisseure und einige Stars besonders viel, der Rest muss sich durchschlagen wie die meisten Schauspieler und freiberufliche Medientypen. Man hört zwar immer von den Topverdienern aber 99% der Leute die mit so eine Karriere anfangen werden es halt nie nach ganz oben schaffen.
Letztlich wird sich das System aber erhalten, wenn die Sprecher sich nicht in einer Gewerkschaft zusammen tun und damit besser Bedingungen einfordern können. Wie es z.B. in Hollywood gemacht wurden ist, da Streiken zur Zeit die Autoren für mehr Geld. Die Gewerkschaften haben dort oft Exklusivverträge mit den Studios, also liegt alle lahm wenn gestreikt wird. Die alternative wäre ein Gesetz, aber bei den Stundensatz für die reine Studioaufnahme kann man nicht mal meckern.
Besonders bei Anfängern wird es wohl bisher nach der Friss oder Stirb Methode laufen, also: „Nehme die 184 Euro pro Folge oder wie nehmen einen der 100 Anderen“.